Ansprache zum Schulentlassgottesdienst

am Donnerstag, 21. Juli 2005 in der Wieskirche

Der Faden   -   Mt 7,24-27 Das Haus auf dem Felsen

 

Die Spinne baute sich ein wundervolles Nest, in das sie sich behaglich setzte. Die Zeiten waren gut. Bis, ja bis sie zu dem Faden kam, der in die Höhe lief. Weil sie nicht mehr wusste, für was er gut sein sollte, hielt sie ihn für überflüssig und biss ihn einfach ab.

 

Geht es uns nicht ähnlich, uns Menschen des gerade vor fünf Jahren begonnenen dritten Jahrtausends? Wir haben wundervolle Nester, sprich Häuser und Wohnungen, wir sind alle sehr geschäftig. Kinder brauchen schon einen dicken Terminkalender, Jugendliche hetzen von einem Event zum anderen, um nichts zu versäumen, Eltern haben zu wenig Zeit für die Kinder, für Kirche, für Beziehungen.

Auch die Schule tut ein Übriges dazu mit Stoffpaukerei, Schulaufgabenstress. Ihr, liebe Entlassschüler, wisst es jetzt am besten…

        Ich weiß, dass das nicht bei allen und überall so ist, aber doch im Strieming.

 

Und die Folgen?

Kinder werden zu Schlüsselkindern, Jugendliche werden süchtig, gleiten ab in die „Szene“, Eltern werden krank, jede dritte Ehe, in manchen Städten schon jede zweite Ehe, wird geschieden.

Allzu große Geschäftigkeit kann blind machen. Machertum stürzt nicht selten ins Verderben. Mir kommt es manchmal so vor, als ob wir den dicken Ast absägen, auf dem wir sitzen, ohne zu wissen, was wir eigentlich tun…

 

Und dann dieser dünne Faden. Zu was ist denn der gut?

Die Spinne weiß es nicht mehr und beißt ihn ab. Es war der wichtigste Faden für das ganze Netz.

Was ist für uns, für die Gesellschaft dieser wichtige Faden?

Es ist das, woran alles hängt und ohne das wir ersticken wie das Netz, das über die Spinne sich legte uns sie erstickte.

 

Jeder von uns braucht diesen Faden. Es kann ein guter Freund sein, eine Gemeinschaft, in der wir uns geborgen und gehalten wissen.

Dieser Faden ist für uns vor allem der Glaube an unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus, der die vertikale Verbindung zwischen Himmel und Erde errichtet hat, der die Verbindung ist zwischen Gott und Mensch.

Es ist der Herr, der uns im Evangelium im Gleichnis vom Haus auf dem Felsen deutlich gemacht hat, dass wir auf sein Wort hören sollten. Damit es uns nicht ergeht wie jenem Mann, der sein Haus auf Sand baute und das bei Stürmen und Wolkenbrüchen einstürzte.

 

Liebe Entlassschülerinnen und Entlassschüler,

heute an diesem denkwürdigen Tag des Abschieds aus Eurer Volksschule wünsche ich euch, dass ihr den Faden, der euch hält und trägt nicht verliert. Der Glaube an den Herrn Jesus Christus, der euch auch im Religionsunterricht nahe gebracht wurde, möge euch tragen durch alle Tage.

So kann das Motto dieser Stunde unvergessen bleiben: „Im Vertrauen auf Gott gehen wir der Zukunft entgegen.“

Welche Zukunft, welche Perspektiven habt ihr? das frage ich mich.

>   Jene, die noch keinen Ausbildungsplatz haben, kann ich nur wünschen, dass sich auch für sie bald eine Möglichkeit auftut. Denn das Gefühl: Ich werde nicht gebraucht in unserer Gesellschaft, mich will keiner haben, das wäre in der Tat auf Dauer nur schwer zu ertragen.

Auf der anderen Seite gilt: Schwierigkeiten, Enttäuschungen, Verluste gehören zum Leben jedes Menschen dazu. Bei niemandem läuft alles glatt und gradlinig.

Ganz wichtig ist es deshalb, bei auftauchenden Schwierigkeiten nicht gleich zu resignieren. Es kommt darauf an, der inneren Kraft zu vertrauen.

>    Doch woher kommt diese Kraft?

Wieder gilt: Menschen, die glauben, sie sagen: „Diese Kraft erwächst mir von Gott!“

Schon vor 2700 Jahren hat der Psalmist sein Vertrauen in den Beistand und die helfende Nähe Gottes in diese Worte gekleidet: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil. Vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist die Kraft meines Lebens: Wir wem sollte mir bangen?“

 

Liebe Entlassschüler, das ist mein Wunsch, den ich euch am heutigen Tag mit auf den Weg geben möchte: Euer Herz möge nicht verzagen, auch wenn es einmal dick kommt. Verliert nie eure Zuversicht, eure Hoffnung auf bessere Tage, selbst dann nicht, wenn sich Schwierigkeiten auftun.

>   Gott hat uns zum Leben gerufen, zu einem Leben in Glück und Freude.

>  Er will, dass unser Leben gelingt.

>  Vertraut auf seine Hilfe, werft den Glauben an ihn nicht leichtsinnig fort, wie man ein abgelegtes Kleidungsstück achtlos beiseite legt! Verliert nie den Faden, der euch hält. Gott ist die Mitte unseres Lebens, von ihm her kann uns wirklich Kraft erwachsen.

In seinem Haus, in seiner Nähe können wir uns bergen  -  in guten und auch in weniger guten Tagen.

>   Eines gilt auch – und das kann ich, das können sicher viele unter uns nur bestätigen: Die Liebe Gottes engt uns nicht ein, sie nimmt uns nicht unsere Freiheit, doch sie gibt uns Rückhalt. Durch sie haben wir Zukunft.

Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr das nicht nur heute, sondern immer wieder auf eurem Lebensweg erfahren könnt. Amen.