Predigt von Pfr. Josef Most

zur Bezirkswallfahrt des Frauenbundes am 31. Juli 2007 Wieskirche Moosbach

Thema: „Heimat finden in Gott“

 

Am Ende ihrer Lebensbeschreibung „Barfuß auf Asphalt“ fragt die Schriftstellerin Vilma Sturm: „Wie ist das eigentlich gekommen, dass so viele von denen, die mir lieb sind, Verwandte und Freunde, sich mit der Zeit abwandten von Kirche, Gebet und Frömmigkeit? Ich selbst befinde mich mitten im Prozess  einer Ablösung, ohne dass ich es will. Ich gleite immer mehr weiter fort, irgendwo ins Leere, wo niemand mehr ist….

So wie es dieser Frau geht es anscheinend vielen Zeitgenossen. Der Ablösungsprozess von Religion, Kirche und Glaube ist groß geworden, nicht nur unter den jungen Menschen.. Ob der Dalai Lama, der letztlich in Hamburg und Freiburg Tausende Leute anzog, die ihn hören wollten, ob der da helfen kann? Ich bezweifle es. Lebensweisheiten hätten wir genügend.

 

Eines ist gewiss: Wir Menschen hören nicht auf zu fragen: Wo kommen wir her – wo werden wir einmal sein, wenn diese unsere vertraute Welt nicht mehr die unsere ist?

Alle Antworten auf diese Fragen sind Antworten des Glaubens, alle. Denn selbst der, der an nichts glaubt, der Nihilist, muss tapfer glauben.

„Weh dem, der keine Heimat hat“, so philosophierte schon der Pfarrerssohn und Gottesleugner Friedrich Nietzsche. Damit trifft er den realistischen Zustand vieler Menschen unserer Zeit. So sagte einmal ein junger Mann:

„Wenn ich es in den eigenen vier Wänden nicht mehr aushalten kann, wenn ich mich selbst kaum wieder erkenne oder nicht weiß, wer ich eigentlich bin, wenn es wegen der Familie, Freunde, Schule und Arbeitsplatz einfach zum Davonlaufen ist, wenn ich mich in der Disco voll dröhnen lasse oder bei einem Spaziergang nur meine Ruhe haben will – Da frage ich mich: Wo gehöre ich eigentlich hin? Wo bin ich bloß zuhause? Wo ist meine Heimat, in der ich ganz daheim sein kann?“

Sich-zu-hause-wissen und Sich-zu-hause-fühlen sind markante Jargons junger und auch älterer Menschen geworden. Sie suchen und suchen und werden dennoch enttäuscht. Wo gibt es eine Antwort, die wirklich zählt?

 

Antwort kann uns nur der geben, der selbst alles durchgemacht hat: Einsamkeit und Verachtung, Schmerzen und Gottverlassenheit. Es ist unser Jesus Christus, der selbst heimatlos war. Denn er spricht davon, dass die Vögel Nester haben, während er nicht einmal einen Platz zum Schlafen hat.

Unser Jesus sagt uns heute: Gott ist unsere Heimat, mein Vater im Himmel ist eure Heimat. Von ihm kommen wir alle, zu ihm wollen wir letztlich alle zurück.

 

Liebe Mitglieder des Frauenbundes!

„In Gott Heimat finden“, so haben wir das Motto dieser Bezirkswallfahrt hier zur Wieskirche gewählt.

Unser Gott ist nicht etwas, sondern ein jemand, er ist ein Gott in drei Personen, die in sich Heimat sind, Beziehung, wie sie nicht tiefer sein kann.

Um Heimat zu finden, müssen wir uns mit hinein nehmen lassen in die Beziehung Gottes, müssen wir offene Ohren und Herzen haben, müssen wir selbst bei uns zu hause sein.

Von Karl Valentin gibt es einen Spruch, der das aufnimmt: „Heute besuche ich mich – hoffentlich bin ich daheim“  -  Wer nicht bei sich selbst daheim sein kann, der kann nirgendwo daheim sein. Er wird die Menschen überfordern, wenn er von ihnen erwartet, dass sie ihm absolute Geborgenheit und Heimat schenken sollen. Die Menschen können uns nur Hinweis sein, aber nie Erfüllung unserer letzten Sehnsucht nach Heimat.

Wer sich selbst aushält und spürt, dass mitten im Chaos seiner Gedanken Gott bei ihm ist, der hat die Heimat gefunden. Er kann bei sich selbst daheim sein und daher auch bei den Menschen.

Als Erstes also, liebe Frauen, ist uns aufgegeben, dass wir bei uns selbst zu Hause sind. Das bedeutet: Wir müssen eine Mitte haben, aus der wir leben. Wir müssen in diese Mitte in uns immer wieder hineinhorchen, stille werden, um IHN zu hören, seine Stimme wahrzunehmen.

Gönnen wir uns diese Zeiten der Stille, gegen alle zentrifugischen Kräfte, die uns von vielen Seiten vereinnahmen wollen.

 

Als Zweites ist uns aufgegeben: Wir müssen einander zur Heimat werden. Wir sind für den Austausch geschaffen, für das Gespräch, für das Mahl. Es ist kein Zufall, dass Jesus seine tiefsten Gedanken bei seinem Letzten Abendmahl ausgesprochen hat. Mahl und Gespräch – was für wunderbare Elemente der Gemeinschaft.

Unser Glück finden wir nicht im Alleinsein. Gott regelt das Zusammenleben der Menschen nicht aus der Ferne des Himmels. Gott hat durch Jesus als Mensch unter Menschen gelebt. Er hat damit gespürt, wie anstrengend und wie schwierig das manchmal ist.

Jesus hat Stunden gebraucht, in denen er allein sein musste. Aber dann ist er wieder unter die Menschen gegangen und hat sie angenommen, wie sie waren.

Liebe Frauen, das ist es auch, was uns in den Frauenbund-Gemeinschaften immer wieder zusammenführt: Wir brauchen einander, wir brauchen Gleichgesinnte, mit denen wir uns austauschen können, wo einer dem anderen ein „Ohr leiht“, wo wir freilich auch die Verschiedenheiten ertragen und trotzdem nicht über uns herfallen. Dann werden wir einander zur Heimat.

 

In einer Geschichte heißt es: Zwei Mönche lasen miteinander in einem Buch, am Ende er Welt gebe es einen Ort, an dem sich Himmel und Erde berührten. Sie beschlossen, ihn zu suchen und nicht umzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten.

Sie durchwanderten die ganze Welt, bestanden unzählige Gefahren, überwanden alle Versuchungen .. Eine Tür sei dort, so hätte sie gelesen. – Schließlich fanden sie, wonach sie suchten. Sie klopften an. Bebenden Herzens sahen sie, wie sich die Tür öffnete,  und als sie eintraten, standen sie – in ihrer Klosterzelle. Da begriffen sie: Der Ort, an dem sich Himmel und Erde berührten, ist die Stelle, die Gott uns zugewiesen hat.

 

Liebe Frauen, Schwestern und Brüder, Gott hat jeder und jeden von uns einen Platz zugewiesen, der seine Heimat ist, den wir uns zu unserer Heimat machen sollen. Jede und jeder von uns kann nur dort, wo er lebt und zu Hause ist, seine Aufgabe erfüllen.

Eine wichtige Aufgabe möchte ich zum Schluss noch ansprechen: Es ist die Familie und die Erziehung der Kinder.

Viele junge Menschen haben in der Kirche keine Heimat, sie haben nie eine Heimat gefunden, weil die Eltern in der Kirche nicht daheim waren und damit den Kindern den Glauben nicht vorleben konnten. So verabschieden sie sich von uns oft schon nach der Erstkommunion, spätestens nach der Firmung, bevor sie überhaupt richtig bei uns waren.  -  Jetzt kann man sagen: Später, wenn sie groß und alt sind, werden sie schon noch zur Kirche finden. Nein, die Erfahrung zeigt: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“ D. h. Was wir den Kindern an Glauben und Religion, besonders an beispielhaftem Leben vorenthalten, werden sie nie mehr aufholen können, wenigstens in der Regel, denn auch das wissen wir: bei Gott ist nichts unmöglich.

 

Unser Papst Benedikt hat vor gut einem Jahr in Valencia bei einem Familienkongress gesagt: „Familie, lebe den Glauben und gib ihn weiter!“ Die dringendste Notwendigkeit ist die Erneuerung des Glaubens der Erwachsenen, damit sie ihn der jungen Generation vermitteln können. Umgekehrt kann der Weg der Einführung in den Glauben zu einer günstigen Gelegenheit für die Eltern werden, um sich der Kirche wieder zu nähern und die Schönheit und Wahrheit des Evangeliums immer weiter zu vertiefen. Wichtig ist, dass das Wort Gottes, das die Flamme des Glaubens am Leben erhält, niemals fehlt.“

 

Mit einer äußerst bedeutsamen Geste entzündet der Vater oder der Pate beim Taufritus eine Kerze an der großen Osterkerze, Symbol des auferstandenen Christus. Dann sagt der Priester: „Christus, das Licht der Welt, hat ihr Kind erleuchtet. Es soll als Kind des Lichtes leben.“ Diese Geste bringt die ganze Bedeutung der Weitergabe des Glaubens in der Familie zum Ausdruck.

Liebe Frauen und Mütter – und auch Väter: Belebt immer neu die Flamme des Glaubens durch das Gebet und den regelmäßigen Empfang der Sakramente.

 

Ein schönes Sprichwort heißt sinngemäß, und damit möchte ich schließen:

„Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzel, damit sie Heimat bekommen.

Wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel, damit sie lernen zu fliegen und selbstständig werden.“