Gruß aus dem Busch v. 29. Juni 2007

 

Lieber Josef! Liebe Moosbacher!

 

Es ist Abend und es ist still geworden. Die Leute, die mich tagsüber mit

ihren kleineren und größeren Problemen belagerten, sind nachhause

gegangen. Ich sitze nun alleine neben meiner Lehmhütte in Memeli (eine

Urwalddorf, ca.30km von der Missionsstation Amadi entfernt) und blicke

über den Uelle, unseren Urwaldfluss. Er ist hier etwa an die 300km breit,

und auf der anderen Seite beginnt bereits die Diözese Bondo. Von dort

kommen seit 2 Stunden unaufhörlich Klagelaute. Von einem Mädchen,
sagten die Leute, deren Mutter am späten Nachmittag gestorben war.
Und nun ist das Mädchen allein.

Mir ist noch das Klagen von Charlotte im Ohr, einer jungen Frau aus Efu,

die mit ihrem 3jährigen Kind zu Fuß die 70km zur Krankenstation Ndendule
hergelaufen kam, in der Hoffnung, dass dem Kinde noch zu helfen sei.


Es war keine Hilfe mehr möglich, das Kind starb bald darauf: Aids. Es war

ein sehr schönes und ausgesprochen freundliches Kind. Die Christen von

Ndendule konnten Charlotte, die vorher schon 2 Kinder verloren hatte,

nur mehr helfen das Kind zu beerdigen. Auf dem Weg zum Grab drückte

jemand der klagenden Mutter eine Blume in die Hand, und so wankte sie

vor dem kleinen Leichnam her, denn viel Kraft hatte sie nicht mehr,

ausgezehrt wie sie ist, selber schon von der Krankheit gezeichnet.

Früher kannten wir hier die SIDA, (so heißt hier AIDS auf französich),

nur vom Hörensagen. In den Städten sei es schlimm, vor allem in

Kinshasa, wo sich die Schwestern der Mutter Theresa aufopfernd der

totgeweihten Kinder annehmen.

 

Seit dem Krieg hat sich das schlagartig geändert. Die durchziehenden

Soldaten taten, was marodierende Soldaten schon immer gemacht

haben....fahrende Händler und Goldgräber tragen auch ihren Teil dazu

bei, und so haben wir diese Geisel "AIDS" nun auch bei uns mitten im

Busch. Medikamente, wie sie in größeren Städten von Hilfsorganisationen

z. T. kostenlos gegeben werden, und mit deren regelmäßigen Einnahme sich

einigermaßen mit der Krankheit leben lässt, gibt es bei uns im Busch hier

nicht. Hier wird brutal gestorben!

 

Inzwischen ist es dunkel geworden und das Klagen des Mädchens über dem

Fluss geht in ein Wimmern über. Während ich so meinen Gedanken nachhänge

- man sucht ja immer nach neuen Wegen, wie man dem Leid oder den Leiden

der Leute hier am besten begegnen kann - kommt der alte Ferdinand und

lässt sich nach den üblichen Begrüßungsworten neben mir nieder.

Unterhäuptling war er einmal und hatte mehrere Frauen, wie sich das

früher so gehörte! Er wollte schon immer getauft werden. Aber ich konnte

ihm ja auch nicht raten, die Frauen einfach wegzujagen. Es wäre total

unsozial und gegen die Liebe, die er ja nun auch leben und praktizieren

sollte, wenn er getauft und somit Christ würde. Eine groteske Situation.

Ich konnte ihm nur raten, weiterhin gut zu seinen Frauen und den

Mitmenschen zu sein, dann würde sich Gott auf jeden Fall über seinen

Lebenswandel freuen. Ob der gute Ferdinand das letztlich alles

verstanden hatte, bezweifle ich. Nun sind ihm im Laufe der Jahre seine

Frauen weggestorben und er hat sich taufen lassen. Ferdinand wollte er

heißen.

 

Das Klagen des Mädchens über dem Fluss gibt uns das Thema unseres

Gespräches: Wenn er einmal stürbe und das könnte schon sehr bald sein,

meint er (er hat starkes Asthma und auch sonst allerlei Krankheiten,

trotzdem macht er immer noch um meine Hütte sauber wegen der Schlangen),

wenn er also einmal stürbe, würde er sehr gerne in einem richtigen Sarg

beerdigt und nicht einfach so in die Erde gebracht werden, wie hier

üblich......" das wär doch was", meint er und strahlt über das ganze

Gesicht. Die Leute würden staunen und sagen: der alte Ferdinand wurde in

einem richtigen Sarg beerdigt, weil er der Freund vom Monpere (Pater)

war. Zu erwähnen wäre noch, dass hier ein "richtiger Sarg" eine primitiv

zusammengenagelte Holzkiste aus minderwertigen Brettern ist.

Die Bretter habe ich ihm natürlich versprochen und er war ganz

glücklich; und während er sich mit pfeifendem Atem auf den Heimweg

macht, wird mir wieder einmal klar, wie verschieden doch die Probleme

und Sorgen der Menschen hier und zuhause sind. Und somit auch die Arbeit

eines Seelsorgers.

 

So denke ich automatisch an Dich und Deine/meine Heimatgemeinde. Bald

ist Peter und Paul, und wenn ich morgen heimkomme versuche ich Dir diese

Zeilen zu senden, (zur Zeit macht es unser Computer wieder) einfach um

Dir wieder einmal von meinen täglichen Erlebnissen bei Menschen unter

ganz anderen Lebensbedingungen zu erzählen.

 

Ich wünsche Dir und der ganzen Pfarrgemeinde ein schönes und von Gott

gesegnetes Fest. Die Weihe in Tröbes soll ja auch so schön gewesen sein.

Und wenn am Sonntag der Gide sein "40jähriges" mitfeiert, dann wird das

sowieso etwas Größeres. Im Geiste bin ich bei Euch!

 

Herzliche Grüße

Dein Pater Ferdinand

Reis